‘Masterplan Lehrerbedarf’ der Länder notwendig
Statt wie bisher erwartet zu sinken, wird die Schülerzahl in Deutschland nach einer Bertelsmann-Studie bis 2030 stark anwachsen. Auf der anderen Seite gibt es schon jetzt zu wenig Lehrernachwuchs, vor allem für die Grundschulen. Experten warnen die Länder davor, sich wegzuducken. Ein ‘Masterplan Lehrerbedarf’ sei angesagt – und zwar zügig.
Angesichts steigender Schülerzahlen in den nächsten Jahren hat der Deutsche Lehrerverband (DL) die Bundesländer zu einem Kraftakt für die Sicherung eines flächendeckend guten Unterrichts aufgerufen. »Wir müssen jetzt ganz schnell umsteuern: Planstellen schaffen, die Lehrerwerbung verstärken, Pädagogen nachqualifizieren«, sagte der Verbandsvorsitzende Heinz-Peter Meidinger der Presse in Berlin. »Wenn das nicht passiert, gibt es für die Länder drei Stellschrauben: größere Klassen, höhere Lehrerarbeitszeiten, weniger Unterricht. Das ist ein Szenario, vor dem ich nur sehr warnen kann.«
Meidinger, derzeit in Personalunion Chef des Deutschen Philologenverbandes und der Dachorganisation DL, forderte, die Länder dürften der Realität nicht ausweichen. »Wir brauchen jetzt konkrete Reaktionen.« Meidinger empfahl den Bildungsministern »ein Gesamtpaket, etwa um den Lehreraustausch anzukurbeln. Und für einen Masterplan Lehrerbedarf wäre es jetzt höchste Eisenbahn.«
Bundesweit gehen nach einer Mitte Juli vorgestellten Studie der Bertelsmann Stiftung bis 2030 viel mehr Kinder zur Schule als von der Kultusministerkonferenz prognostiziert. Die Schülerzahl steigt demnach von knapp acht Millionen (2015) um acht Prozent auf fast 8,6 Millionen in dreizehn Jahren. Bisher hatte die Kultusministerkonferenz ein Absinken auf gut 7,2 Millionen Schüler bis 2025 vorhergesagt. Laut Studie steigt die Schülerzahl bis dahin aber auf 8,26 Millionen – Prognoselücke: eine Million Kinder. Dies könnte sich massiv auf den Bedarf an Pädagogen, Schulklassen und guten Schulgebäuden auswirken. Der Studie zufolge werden 2030 etwa 28.100 zusätzliche Klassen und 42.800 zusätzliche Vollzeitlehrkräfte benötigt. Auf Länder und Kommunen kämen pro Jahr 4,7 Milliarden Euro höhere Bildungskosten zu.
»Über 40.000 zusätzliche Lehrer, fast fünf Milliarden Euro Mehrkosten pro Jahr – das ist natürlich eine Hausnummer, erst recht unter dem Druck der Schuldenbremse ab 2020«, so Meidinger. »Das werden einige Länder nicht stemmen können.« Er kritisierte, dass die Kultusministerkonferenz mit aktuelleren Prognosen angesichts von Flüchtlingsandrang und Geburten-Plus in Deutschland nicht früher an die Öffentlichkeit gegangen sei. »Wie so oft in der Politik wird das Problem erst dann zur Kenntnis genommen, wenn es gar nicht mehr anders geht.«
Der Verbandsvorsitzende – selbst aktiver Gymnasialdirektor – machte deutlich: »Lehrerbedarfsprognosen sind ein sehr komplexes Gebiet. Etwa bei Flüchtlingszuwachs oder Geburtenentwicklung – da ist es eine Kunst für sich, die richtigen Vorhersagen zu treffen beziehungsweise Konsequenzen zu ziehen.« Auch hätten manche Länder bereits reagiert, um einem unterschiedlich ausgeprägten Lehrermangel entgegenzutreten: »Einiges passiert bilateral. Beispielsweise zwischen Bayern und Sachsen: Bayerische Lehrer helfen in Sachsen aus, teilweise mit einer Rückkehrmöglichkeit. Aber viele Lehrer sind halt auch extrem sesshaft und damit immobil«.
Die in manchen Ländern verstärkte Einstellung von nicht pädagogisch ausgebildeten ‘Quereinsteigern’ sieht der Verbandschef skeptisch: »Natürlich ist ganz grundsätzlich eine schlecht gehaltene Unterrichtsstunde immer besser als gar keine Unterrichtsstunde. Aber insgesamt schlägt sich eine zu hohe Quote von Quereinsteigern an den Schulen in Qualitätsproblemen und schwächeren Schülerleistungen nieder – das lässt sich auch an den PISA-Ergebnissen ablesen.«
Mit Material von News4teachers