Auf ein Wort

Schulfach „Finanzbildung“? Klare Absage durch den DPhV

Susanne Lin-Klitzing
Foto: DPhV/Marlene Gawrisch

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

es ist immer wieder verwunderlich, mit welchem Engagement von der Bundespolitik Nebenthemen in den Vordergrund gespielt und die eigentlichen Hausaufgaben nicht gemacht werden. So betrachten wir mit deutlicher Distanz einerseits das zurückhaltende Engagement des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bei den Verhandlungen zum Digitalpakt II als auch andererseits dessen kontinuierlichen Lobbyismus für ein neues Unterrichtsfach „Finanzbildung“.

Der Deutsche Philologenverband (DPhV) stellt sich klar gegen die Pläne des Bundesfinanz- und des Bundesbildungsministeriums zur Einführung eines neuen Schulfachs „Finanzbildung“. Dieses hatten sowohl Bundesfinanzminister Christian Lindner1 als auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger2 ins Spiel gebracht.

Die Einführung eines neuen Schulfachs ist bei uns zurecht an hohe Hürden gebunden. Für die Schaffung eines neuen Unterrichtsfachs „Finanzbildung“ sehen wir weder die Notwendigkeit noch die universitäre Bezugsdisziplin für dieses neue Schulfach. – Die Menschen in Deutschland sind im Bereich der Financial Literacy laut Erhebung der OECD „spitze“. Denn Deutschland belegt in einer OECD-Studie aus dem Jahr 2023 im Vergleich zu 38 Ländern Platz 1 (!) mit einem Financial Literacy Score von 76 von 100 Punkten (OECD-Durchschnitt 63/100)3. Frühere Studien sehen Deutschland ebenfalls auf den vorderen Plätzen.4

Wer sich profundes Wissen in den bereits existierenden Unterrichtsfächern, hier u.a. in Wirtschaft/Recht, Politik, Gemeinschaftskunde, Geschichte und in der Mathematik, aneignet, hat das Rüstzeug, um sich später auch hinreichend um seine finanziellen Belange zu kümmern. Dass dies in den vergangenen Jahrzehnten gelungen ist, zeigt nicht zuletzt das sehr erfolgreiche Abschneiden Deutschlands bei den entsprechenden Untersuchungen der OECD. Bereits jetzt engagieren sich zahlreiche unserer Lehrkräfte, um ihren Schülerinnen und Schülern die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft, unseres Geldsystems oder auch der Haushaltsführung nahe zu bringen. Es gibt zudem zahlreiche gut aufbereitete, kostenlose Materialien zum Thema Finanzbildung, u.a. eben vom Bundesfinanzministerium (BMF) und Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Bankenfinanzaufsicht (BaFin), der ARD, Stiftung Warentest oder auch von privaten Anbietern (Finanztip, Finanzfluss etc.). Diese Materialien können Gegenstand des regulären Unterrichts oder an Projekttagen sein.

Und außerdem: Fängt diese sog. „Finanzbildung“ bei Handyverträgen an und hört bei Optionsscheinen auf Rohstoffe auf? Lehrkräfte würden sich hier sehr schnell auf das fallstrickreiche Gebiet der Finanzberatung begeben. Täglich kommen ungezählte neue Finanzprodukte auf den Markt – einige davon mit zweifelhaftem Wert. Hier den Überblick zu behalten, ist selbst für Spezialisten herausfordernd. Dies kann unmöglich Aufgabe einer Lehrkraft sein. Ganz zu schweigen von steuerlichen Belangen. Lehrkräfte sind weder Finanz- noch Steuerberater. Und sie dürfen und sollen es aus unserer Sicht auch nicht werden!

Ihnen Kraft und herzliche Grüße in die letzten Wochen vor Weihnachten!

Ihre

Susanne Lin-Klitzing

1 FDP Website, 13.8.2024; https://www.fdp.de/finanzielle-bildung-bedeutet-selbstbestimmung
2 Podcast „Auf Geldreise“, 24.8.2023 https://www.finanztip.de/presse/bildungsministerin-stark-watzinger-will-finanzbildung-als-schulfach/
3 OECD/INFE International Survey of Adult Financial Literacy (2023), S. 14 https://www.oecd.org/en/publications/oecd-infe-2023-international-survey-of-adult-financial-literacy_56003a32-en.html
4 S&P: Financial Literacy Around the World (2014) https://gflec.org/wp-content/uploads/2015/11/3313-Finlit_Report_FINAL-5.11.16.pdf

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