Auf ein Wort

Die KMK kreißt,

Heinz-Peter Meidinger

liebe Kollegen und Kolleginnen,

und gebiert in Zeiten des Lehrkräftemangels ein „anything goes“?

Die Not ist groß, der Lehrkräftebedarf hoch, je nach Land und je nach Schulart und Schulform noch einmal verschieden. Die Co-Vorsitzende der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission, Prof. Dr. Felicitas Thiel, warnt in dieser Situation gut begründet „vor der Einrichtung dualer Studiengänge, dem Perpetuieren von Sondermaßnahmen und einer weiteren Senkung der Zugangsvoraussetzungen für künftige Lehrkräfte: ‘Eigentlich müssten wir die Schwellen erhöhen’.“ (www.jmwiarda.de/2024/03/14/nicht-vom-mangel-treiben-
lassen/). Aber die KMK beschließt am 14.03.2024:

• Die Qualifizierung von Ein-Fach-Lehrkräften,
• die Möglichkeit dualer Lehramtsstudiengänge
• und ein Quereinstiegs-Masterstudium.

Sie erinnern sich: Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK hatte sich zwar auch zukünftig für Ein-Fach-Lehrkräfte ausgesprochen, aber mit dem Hinweis, dass diese sich in einem zweiten Fach berufsbegleitend universitär nachqualifizieren sollen/können. Ein duales Lehramtsstudien hatte sie abgelehnt, und für einen „Q-Master“ keine unmittelbare Empfehlung gegeben. Die KMK versucht aufgrund der Situation, dass viele Länder bereits eigene Not-Maßnahmen eingerichtet haben, diese in Übereinstimmung mit dem Quedlinburger KMK-Beschluss zu bringen. Immerhin findet man im KMK-Beschluss vom 14.03.2024 noch Sätze wie: „Die Einführung von zusätzlichen Maßnahmen bzw. Qualifikationswegen über die grundständige Lehrkräftebildung hinaus ist immer mit einer Prüfung, ob und inwieweit diese zu verstetigen sind, verbunden“ und „Die Länder bieten diese Maßnahmen je nach länderspezifischem Bedarf an“. Zudem wollen die Länder einen ergänzenden Beschluss zur „Gestaltung von zusätzlichen Wegen ins Lehramt“ formulieren.

Konstatieren können wir schon einmal ganz wertneutral: Bei diesen Vorschlägen geht es nicht um eine Verbesserung des regulären grundständigen Lehramtsstudiums. Denn die neuen Maßnahmen sollen die bestehende Lehrkräftebildung ergänzen.

Neben dem regulären grundständigen Lehramtsstudium zweier Fächer und Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaften sowie dem anschließenden Vorbereitungsdienst soll es nun als Rahmenmodell auch ein verkürztes duales einphasiges Lehramtsstudium mit Entlohnung bereits während des Bachelorstudiums geben, weil auch die „Bachelorstudierenden“ bereits fest an den Schulen unterrichten. Es gibt (noch) keine klaren Aussagen, in welche Laufbahnen dies beamten- bzw. tarifrechtlich in den Ländern führen soll und ob und welche dieser länderspezifischen „Ausbildungen“ in anderen Bundesländern zukünftig anerkannt werden.

Es ist angesichts des Lehrkräftemangels eher unwahrscheinlich, dass diese „Auszubildenden“ in ihrem Bachelor adäquat von Mentorinnen und Mentoren begleitet werden können. Es ist unklar, ob diese duale Entlohnung „auskömmlich“ sein wird, auch angesichts der Pendelei zwischen Universitäts- und Schulort, und ebenso, wie sich die Rechtssituation bei der Notengebung gestaltet, sollte ein solches „duales Lehramtsstudium“ nicht erfolgreich abgeschlossen werden. Da die KMK in ihrer Ländervereinbarung von 2021 keine Mindeststandards für den Quer- und Seiteneinstieg ins Lehramt formuliert hatte, grundlegende Kompetenzen der Lehrkraft dort bereits mit „unterrichten, erziehen, betreuen und beraten“, statt „beurteilen und beraten“ beschrieben hatte, und sie die Erlangung von Studierfähigkeit auch nicht bei den allgemeinbildenden, sondern bei den beruflichen Schulen verortet hatte, muss man sich über diesen bislang vorliegenden Rahmen vermutlich nicht wundern, auch wenn – ich gestehe es – mein Erschrecken tatsächlich groß ist. Verwunderlich ist jedoch selbst unter diesen Voraussetzungen, dass sich das vorliegende Papier nun gar nicht auf alle Schularten bezieht, sondern ausschließlich auf die Lehrkräftebildung für die weiterführenden Schularten. Damit wird nun auch für den letzten Idealisten deutlich, dass es wirklich nicht um positive Reformen, sondern nun, wo der Mangel im Grundschullehramt offenbar dem Ende entgegengeht und die Not in den weiterführenden Schulen groß und größer wird, darum, mit diesen Vorschlägen eine möglichst schnelle Abdeckung des Unterrichtsbedarfs an eben diesen Schularten zu ermöglichen.

Wie ein bereits im Bachelor unterrichtender Lehramtsstudierender seinen Schülerinnen und Schülern die laut KMK-Richtlinien erforderlichen Fähigkeiten für die Gymnasiale Oberstufe, nämlich in seinen jeweiligen Fächern Wissenschaftspropädeutik, vertiefte Allgemeinbildung und Studierfähigkeit, vermitteln soll, müsste – um in „KI-Sprache“ zu reden – wohl „halluziniert“ werden. Bislang umfasst ein solches Lehramtsstudium 360 akademisch erworbene ECTS-Punkte, ohne Einrechnung des darauf folgenden Referendariats. Mit einem solchen Master oder Staatsexamen ist zudem die Promotionsberechtigung verbunden. Ich schließe daraus, dass ein solches Anforderungsprofil von einem im Bachelor und Master dual ausgebildeten Lehramtsstudierenden nicht erfüllt werden kann. Eine solche duale Lehramtsausbildung scheidet somit für das gymnasiale Lehramt aus.

Konsequent folgen müsste in einem solchen Szenario zudem die Erhöhung der Eingangsbesoldung für regulär und vollständig zweiphasig ausgebildete Lehrkräfte mit ihrer vollen Fakultas in zwei Fächern!

Die KMK tagt im Juni erneut dazu. Hoffen Sie mit mir, dass noch etwas zu retten ist!

Ihre

Susanne Lin-Klitzing

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