Der Berufspolitische Ausschuss (BRA) des Deutschen Philologenverbandes diskutierte auf seiner Tagung in Fulda ausführlich Maßnahmen zur Behebung des Lehrermangels und die Auswirkungen des EuGH-Urteils zur Arbeitszeiterfassung.

Umsetzung des EuGH-Urteils zur Arbeitszeiterfassung wird große Herausforderung für die Dienstherren

Die noch fehlende Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes zur Arbeitszeiterfassung von Beschäftigten vom Mai 2019 in deutsches Recht führt auf verschiedenen Sitzungen von Gremien des DPhV immer wieder zu intensiver Diskussion, so auch bei der Tagung in Fulda. Es ist unbestritten, dass eine objektive Arbeitszeiterfassung bei Lehrkräften sehr schwierig ist. Bei vielen Beschäftigten besteht die Sorge, dass einerseits eine Überwachung von Beschäftigen durch zum Beispiel elektronische Erfassungssysteme erfolgen könnte und andererseits, dass sie zu einer weiteren Verdichtung der Arbeit führt. Hier wurde nochmals auf die wichtige Rolle der Hauptpersonalräte hingewiesen, die vor einer Einführung beteiligt werden müssen. Die Tätigkeit der Lehrkräfte in der Schule muss außerdem analog zur Arbeitszeit der vergleichbaren Beschäftigten in anderen Bereichen erfasst werden. Wenn bei diesen die Bestimmung der Arbeitszeit im Büro nach dem Stechuhrprinzip erfolgt, kann es nicht sein, dass bei Lehrkräften nur die Unterrichtszeit erfasst wird. Die Aspekte der Erfassung außerunterrichtlicher Tätigkeiten wurden lebhaft diskutiert. Das Gremium entwickelte auf seiner Tagung Vorstellungen darüber, welche Tätigkeiten bei einer Arbeitszeiterfassung unbedingt berücksichtigt werden müssen. Vor einer konkreten Positionierung wollten die Teilnehmer aber die für das erste Quartal des Jahres angekündigte nationale Umsetzung des EuGH-Urteils abwarten. Spätestens, wenn ein Entwurf des Arbeitsministeriums vorliegt, wird sich der Philologenverband dazu argumentativ klar positionieren.

Die geplante Entprofessionalisierung des Lehrerberufes im Land Brandenburg wird scharf verurteilt

Kathrin Wiencek, die Vorsitzende des Philologenverbandes Berlin-Brandenburg, die selbst als Schulleiterin eines Brandenburger Gymnasiums tätig ist, stellte die geplante Möglichkeit einer Verbeamtung mit dem bereits niedrigsten akademischen Grad, also einem Bachelor-Abschluss, vor. Für einen wissenschaftlich fundierten, gymnasial qualifizierten und wissenschaftspropädeutischen Unterricht ist der Abschluss eines Lehramtsstudiums mit Staatsexamen oder mit mindestens einem vergleichbaren Masterabschluss unabdingbar. Die im Masterstudium erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten können auch nicht in einem achtzehnmonatigen Zertifikatskurs, wie in Brandenburg geplant, nachgeholt werden. In der aktuellen Personalsituation ist es leider in Mangelfächern notwendig, auch auf Seiten- und Quereinsteiger zurückzugreifen. Für eine dauerhafte Tätigkeit im Schuldienst ist aber aus Sicht des Deutschen Philologenverbandes eine Nachqualifizierung mit Masterabschluss/ Staatsexamen und Referendariat unabdingbar. Wenn diese erfolgt, dann erfolgreich abgeschlossen ist, muss sie natürlich
auch zu einer entsprechenden Besoldung der Lehrkraft führen.

Unterstützung der laufenden Tarifverhandlungen im TVöD

Zeitgleich mit der Tagung des BRA hatte der Deutsche Beamtenbund in Fulda zu einem Warnstreik aufgerufen, um den Forderungen in den Tarifverhandlungen bei Bund und Kommunen Nachdruck zu verleihen. Ein großer Teil der Sitzungsteilnehmer nutzte die aktive Mittagspause, um auf der Kundgebung in der Nähe des Tagungshotels die Demonstranten aus anderen Mitgliedsgewerkschaften des dbb in ihrer Forderung nach einer Entgelterhöhung von 10,5 Prozent zu unterstützen. Die Tarifverhandlungen für die Landesbeschäftigen finden in diesem Herbst statt, und neben der Solidarität mit den Beschäftigten von Bund und Kommune ist ein erfolgreicher Tarifabschluss jetzt eine wichtige Vorlage für die Forderungen des Philologenverbandes und des dbb im Herbst.

Die Vorschläge der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der KMK zur Reduzierung des Lehrermangels haben das eigentliche Problem völlig verfehlt

Eigentlich wäre es zu begrüßen gewesen, dass sich die SWK wissenschaftlich mit der Thematik des Lehrkräftemangels auseinandersetzt. Die Ergebnisse der Stellungnahme der SWK brachten jedoch keine neuen Erkenntnisse. Im Kern wurde eine weitere Arbeitszeitverdichtung als Lösung des Problems des Lehrermangels vorgeschlagen. Besonders darin zeigt sich, wie weit die Verfasser vom Schulalltag entfernt sind und wie wenig Vorstellung sie von der täglichen Belastung der Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben. Kernpunkt der kurzfristigen Reduzierung des Mangels kann aus Sicht des Philologenverbandes nur der Erhalt der vollständigen Dienstfähigkeit der Bestandslehrerschaft sein. Die Arbeitswelt außerhalb der Schule hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. In vielen Bereichen hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen deutlich höheren Stellwert bekommen. Hier muss der öffentliche Dienst, zum Beispiel mit einer spürbaren Senkung der Belastungen für Ältere und verlässlicheren Planungen bezüglich zu unterrichtender Klassen bzw. Zeitverteilung unbedingt wieder konkurrenzfähig werden. Eine Möglichkeit hierfür sind unter anderem Altersteilzeitmodelle. Über die Möglichkeiten in Rheinland-Pfalz wurde der berufspolitische Ausschuss im Rahmen eines Vortrages informiert.

Um auch bei Lehrermangel eine qualifizierte Bildung der Kinder zu gewährleisten, müssen Lehrkräfte im Rahmen einer ‘Sortimentsbereinigung’ von nichtunterrichtlichen Organisationsaufgaben entlastet werden, damit das Kerngeschäft wieder der Unterricht wird. Es ist gesellschaftlich unabdingbar, dass eine Rückkehr zur Verantwortung und Erziehungspflicht des Elternhauses in Angriff genommen wird. Die Schule ist nicht der ‘Reparaturbetrieb’ der Gesellschaft. Die längst überfällige Umsetzung der gültigen Arbeitsschutzrichtlinien in den Schulen ist zwingend notwendig.

Langfristig ist es auch Aufgabe der Politik, dem Lehrerbild in der Gesellschaft wieder zu dem nötigen Stellenwert zu verhelfen. Es muss klar sein, dass die Lehrkraft der Experte für Bildung und Unterricht ist. In seiner Zuständigkeit liegt die fachliche Kompetenz für den Wissenserwerb der Schülerinnen und Schüler.

Die dreitägige Tagung hat verschiedene Positionen des Philologenverbandes vertieft und präzisiert. Auch wenn nicht alle Themen abschließend behandelt werden konnten, so wurde doch die Brisanz der vor uns liegenden berufspolitischen Aufgaben deutlich. Der Lehrerberuf wird nicht zuletzt durch den Lehrermangel und die Digitalisierung in der kommenden Zeit grundlegende Veränderungen erfahren. Vor diesem Hintergrund ist der Austausch zwischen den Philologenverbänden aus den Bundesländern und die Verständigung auf eine gemeinsame Marschrichtung der Landesverbände und des Deutschen Philologenverbands wesentlicher Bestandteil berufspolitischer Arbeit.