Offener Brief zum Thema „Referendariat verkürzen“ an

Frau Ministerpräsidentin Manuela Schwesig
Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern
Staatskanzlei Schloßstraße 2 – 4
19053 Schwerin

Berlin, 4. November 2021

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,

Sie sind gerade dabei, eine rot-rote Landesregierung für Mecklenburg-Vorpommern zu bilden. Dabei geht es auch um das Thema Bildung. Das ist gut. Bildung braucht Zukunft und zukünftig brauchen wir mehr Lehrkräfte.

Dafür aber das Referendariat zu verkürzen, ist der falsche Weg! Im Gegenteil: Wir brauchen mehr Referendariat, statt weniger! Der Deutsche Philologenverband fordert von allen Kultusministern, den bundesweiten Flickenteppich Referendariat von mittlerweile 24, 21, 18, 16 und 12 Monaten Dauer endlich auf ein gemeinsames hohes Niveau zu bringen und so zu erneuern. Wir brauchen eine anspruchsvolle Lehrerausbildung.

Warum darf das Referendariat nicht beliebig gekürzt und Teile davon ins Studium ‘verlagert’ werden? Das lange und kontinuierliche Zusammensein der Referendare mit den Schülerinnen und Schülern im Schulalltag, das Zusammensein mit den Lehrkräften in der Schule, das Lernen gerade von und mit erfahrenen Lehrkräften, das gemeinsame Arbeiten mit ihnen in der Schule kann durch die Universität nicht ersetzt werden. Die universitäre Lehrerbildung ist eben kein Referendariat. Eine Kürzung des Referendariats kann deshalb auch nicht durch ein immer längeres Studium kompensiert werden. Die angehenden Lehrkräfte brauchen viel Zeit zu lernen, wie guter Unterricht gestaltet wird, wie die Schülerinnen und Schüler gefordert und gefördert werden können, wie eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Eltern gelingen kann. Das Lernen des Kerngeschäfts Unterricht kann doch für die angehenden Lehrkräfte nicht heruntergestutzt werden, nur um Geld zu sparen und Lehrkräfte jetzt auf einmal schneller ‘auszubacken’, nur weil seit Jahren versäumt wurde, selber solide Lehrernachwuchs auszubilden!

Der Deutsche Philologenverband fordert das Staatsexamen als Abschluss für alle Lehramtsstudiengänge in allen Ländern. Dann kann ein 24-monatiger Vorbereitungsdienst angeschlossen werden. Die unsachgemäße Umstellung der Staatsexamens-Studiengänge auf Bachelor-/Masterabschlüsse für das Lehramt führt dazu, dass in diesen Ländern das Referendariat gekürzt wird. Nur weil man die Studiendauer durch BA/MA auf mindestens zehn Semester Hochschulstudium hochschraubt, wird das Referendariat gekürzt. Welch’ undurchdachter und unsachgemäßer Umgang mit der Lehrerbildung und dem Referendariat! Gerade dieser Vorbereitungsdienst ist unerlässlich für eine gute Lehrerausbildung und für das alltägliche Standhalten in diesem anspruchsvollen und beanspruchenden Beruf.
Der Deutsche Philologenverband fordert von den Ländern, die auf BA/MA umgestellt haben, eine Erneuerung durch die Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf das Staatsexamen und eine Rückkehr zum zweijährigen Referendariat. Wir brauchen die 24 Monate, so wie es in Bayern nach wie vor vorbildlich praktiziert wird.

Steigern Sie die Qualität, Frau Schwesig, senken Sie sie nicht, denn nur so können Sie garantieren, dass die nächste, dringend benötigte Generation von Lehrkräften dem Schulalltag auch tatsächlich gewachsen ist. Nicht nur die Referendare und die zukünftigen Lehrkräfte, sondern vor allem die Schülerinnen und Schüler werden es Ihnen danken.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing
Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes

Georg Hoffmann
Vorsitzender der Jungen Philologen

Jörg Seifert
Vorsitzender des Philologenverbandes Mecklenburg-Vorpommern