In der Debatte um eine steigende Zahl von Abiturienten mit der Note eins im Abitur hat der Philologenverband Qualitätseinbußen zurückgewiesen.

»Geschenkt bekommt sein Abitur niemand. Abiturienten wissen viel, in der Tiefe und in der Breite«. Das sagte die Bundesvorsitzende des Philologenverbands (DPhV), Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, der Presse kurz vor Beginn des bundesweiten Gymnasialtags am 28. September in Bonn. Das Abitur sei nach wie vor ein anspruchsvoller Abschluss. In allen Schularten sei allerdings »ein politisch gewünschter Trend zu besseren Noten zu verzeichnen«.

Der Hochschulverband (DHV) hatte angesichts einer deutlich steigenden Zahl von Abiturienten mit mindestens der Abschlussnote 1,9 jüngst gefordert, man solle einer ‘Noteninflation’ Einhalt gebieten. Aus den Hochschulen kämen Klagen über das Text- und Schreibverständnis der Abiturienten und über Schwierigkeiten in Mathematik. Es sei zutreffend, dass etwa jeder vierte Abiturient 2018 eine Eins vor dem Komma hatte, während zehn Jahre zuvor ‘nur’ etwa jeder fünfte ein ‘Einser-Abiturient’ war, schilderte Lin-Klitzing beim Gymnasialtag in Bonn.

Ein Faktor könne eine spezielle Notenverordnung der Kultusministerkonferenz (KMK) von 2016 sein. Sie sei mit dem begrüßenswerten Ziel geschaffen worden, eine höhere Vergleichbarkeit der Abschlüsse unter den Bundesländern zu erreichen. Es deute nun aber einiges darauf hin, dass das Niveau etwas gesenkt worden sei. Beispiel: Um eine Abi-Klausur zu bestehen, müsse ein Schüler nach der KMK-Verordnung nur noch 45 Prozent des Abgefragten wissen. In manchen Ländern seien dafür zuvor 50 Prozent nötig gewesen. Bis 2020 müsse die Umsetzung der Verordnung in allen Ländern umgesetzt sein.

Der Deutsche Philologenverband – er vertritt vor allem Gymnasiallehrer – plädierte dafür, das Niveau anzuheben, wenn man eine bessere Vergleichbarkeit herstellen wolle. So wäre es sinnvoll, bundesweit fünf Abitur-Prüfungsfächer einzuführen, darunter verpflichtend Deutsch, Mathe und eine Fremdsprache, so wie etwa aktuell in Bayern. Tatsächlich sei das Bild hier derzeit aber unterschiedlich. Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen etwa verlange nur vier Fächer.

Da auch wegen Zuwanderung und Inklusion viel Energie in die Unterstützung von Schülern mit besonderem Förderbedarf gesteckt werde, falle die Begabtenförderung oft sehr schwach aus, kritisierte Lin-Klitzing. »Der Gedanke ist: Die Guten schaffen es sowieso, die anderen muss ich stützen.« Die wichtige Förderung besonderer Talenten bei begabten Schülern – etwa in AGs oder mit zusätzlichen Fremdsprachen – habe abgenommen, hier gebe es eine größere Lücke.

Zum Gymnasialtag in Bonn erwarten der Bundesverband und der Landesverband NW mehr als hundert Gymnasiallehrer. Eine Fülle von Themen wie der Klimawandel, der gymnasiale Bildungsauftrag, aber auch die Nutzung von Social Media, Cybermobbing und Lehrergesundheit stehen an. ■

Quelle: dpa Bonn vom 28. September 2019