Auf ein Wort

Kein gutes Weihnachtsgeschenk

Susanne Lin-Klitzing
Foto: DPhV/Marlene Gawrisch

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

möchte Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Gymnasialschülerinnen und -schülern in Baden-Württemberg überreichen. Zum wiederholten Male „denkt er an“, die verpflichtende zweite Fremdsprache für ein Schulfach „Digitale Medienkompetenz“ zu streichen. Nicht nur da stehen der Deutsche Philologenverband und die Landesverbände, hier insbesondere der Philologenverband Baden-Württemberg, Seite an Seite. Wir kritisieren gemeinsam den „Digital-Populismus“, den Winfried Kretschmann nicht das erste Mal betreibt. Jedesmal stößt er auf unsere fundamentale Ablehnung. Vor nicht allzu langer Zeit wollte Kretschmann die Beherrschung der Rechtschreibung auf dem Digital-Altar opfern, nun die Beherrschung von mehreren Fremdsprachen. Und zum wiederholten Male erliegt er damit dem Irrglauben, dass KI wesentliche Kulturtechniken ersetzen könne.

Wir halten dagegen. Denn wer die Grundlagen einer anderen Sprache, einer anderen Kultur nicht kennt, den führt das reine Verwenden von digitalen Medien letztlich dazu, dass er von diesen abhängig ist – das hat mit Medienkompetenz rein gar nichts zu tun.

Winfried Kretschmann will elementare kulturelle Errungenschaften auf dem Altar eines Digital-Populismus opfern. Denn wer das Verständnis einer Fremdsprache, einer anderen Kultur, eines anderen Menschen auf einen ‚Knopf im Ohr‘ reduziert, hat das Konzept der Verständigung nicht begriffen. Eine gelungene Kommunikation mit anderssprachigen Menschen zeichnet sich doch durch so viel mehr aus als durch das bloße Übersetzen einfacher Sätze. Hier wird ‚Verständigung‘ zum stumpfen ‚Verständlich-Machen‘ degradiert. Natürlich sind die Möglichkeiten der KI erstaunlich und auch hilfreich, aber sie ersetzen nicht die eigene Lernleistung, und schon gar nicht die Freude am persönlichen Fortschritt.

Der DPhV setzt sich mit Vehemenz für den Erwerb der zweiten Fremdsprache bzw. mehrerer Fremdsprachen am Gymnasium ein. Dass ausgerechnet in Zeiten internationaler Spannungen dieses völkerverständigende Element gestrichen werden soll, erfüllt uns mit Sorge. Deutschlands Geschichte verpflichtet uns zum respektvollen Umgang mit anderen Kulturen. Wenn Europa, wenn Völkerverständigung gelingen soll, braucht es bei jedem Einzelnen den Blick über den eigenen Horizont hinaus. Gerade dafür bietet das Erlernen von Fremdsprachen enorme Möglichkeiten. Dieses Potenzial aus der Schule zu verbannen, auch aus dem profanen Grund, um Stunden für ein neu geschaffenes Verbundfach zu gewinnen, zeugt von erschreckender Kurzsichtigkeit.

Noch grundlegender für die gymnasiale Bildung ist die Beherrschung der deutschen Rechtschreibung als ein Baustein für den souveränen Erwerb der Bildungssprache Deutsch. Auch hier setzen wir den Grabrednern der individuell-menschlichen Beherrschung der deutschen Rechtschreibung energischen Widerstand entgegen – und wollen nun neu Zeichen setzen. Gemeinsam mit Prof. Dr. R. Kaehlbrandt machen wir uns deshalb im Deutschen Philologenverband gemeinsam mit den Landesverbänden auf den Weg, einen deutschen Rechtschreibwettbewerb für unsere Schülerinnen und Schüler zu gestalten. Wir arbeiten darauf hin, dieses Projekt im nächsten Jahr, voraussichtlich mit weiteren Partnern, gemeinsam an den Start zu bringen. Dies wird dann ein besseres Weihnachtsgeschenk im nächsten Jahr sein als jenes, das Winfried Kretschmann den Schülerinnen und Schülern in diesem Jahr als „taule Nuss“ unter den Baum legen möchte.

Inmitten der unruhigen Zeiten all überall wünsche ich Ihnen, liebe Kollegen und Kolleginnen, ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest. Bleiben Sie bewahrt!

Mit kollegialen Grüßen!

Ihre

Susanne Lin-Klitzing

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